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Baulast

Wie allgemein bekannt, ist die Umsetzung des Traums vom Eigenheim ohne entsprechende behördliche Genehmigung nicht zu empfehlen. Es drohen – je nach Umstand – die Anordnung des Rückbaus, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, die Durchsetzung mit Zwangsmitteln und ggf. Bußgelder.

 

Die behördliche Genehmigung ist abhängig davon, dass dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Dies können insb. solche Vorschriften des Bauplanungsrechts und des Bauordnungsrechts, aber auch weiterer Normen u.a. des Umweltschutzes oder Lärmschutzes sein.

 

Häufig tritt der Fall auf, dass die geforderten Grenzabstandsflächen auf dem eigenen Grundstück nicht eingehalten werden können, da nahe an der Grundstücksgrenze gebaut werden soll, dass die geforderten Grenzabstandsflächen aber auf dem Nachbargrundstück überplant werden könnten; oder der Fall, das die geplanten Fenster nachbarliche Belange beeinträchtigen oder gegen die Vorschriften über die Brand- und Wohnungstrennwände verstoßen.

 

In solchen Fällen gibt es die Möglichkeit, das Hindernis durch Eintragung einer Baulast zu beseitigen.

 

Zu der konkreten Ausgestaltung einer Baulast gab es 2020 mehrere Urteile, die die Thematik weiter konkretisieren wollten, vgl.

 

Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westphalen vom 19.02.2020, 10 A 2662/17,

Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westphalen vom 08.03.2018, 10 A 2582/16

Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26.05.2020, OVG 5 N 1.19,

Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westphalen vom 18.06.2020, 2 A 966/20,

Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westphalen vom 07.08.2020, 7 B 859/20,

Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein vom 24.06.2020, 5 LB 4/19,

Urteil des Bundesgerichtshofes vom 24.01.2020, VZR 155/18

 

Diese Rechtsprechung hat sich insb. mit der Auslegung von Baulasten beschäftigt, das übergreifende Ergebnis soll, nach einer kurzen allgemeinen Darstellung zur Baulast dargestellt werden.

 

1. Inhalt und Wirkung einer Baulast

 

Sinn und Zweck der Eintragung einer Baulast ist mithin die Ausräumung und Erfüllung von, dem bauordnungs- und bauplanungsrecht unterfallendem Bauvorhaben, entgegenstehenden öffentlich-rechtlichen Hindernissen.

 

a) Die zu erfüllende Norm kann dem gesamten Bauordnungs- und Bauplanungsrecht angehören. Ausgenommen sind lediglich „Indexübertragungen“: die zulässige Grundflächenzahl und die Geschossflächenzahl kann jeweils nicht dadurch erreicht werden, dass sie bei einem Bauvorhaben überschritten und einem anderen Bauvorhaben unterschritten wird: denn grundsätzlich gilt, dass Baulasten keine baurechtswidrigen Zustände zur Folge haben dürfen.

 

b) Der Inhalt der einzutragenden Baulast darf sich nicht bereits aus anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften (z.B. einem bestehenden Bebauungsplan) ergeben. Insoweit sollen die baurechtlichen Vorgaben keine doppelte Absicherung erfahren.

 

Die Eintragung einer Baulast bedeutet, dass ein Grundstückseigentümer sich verpflichtet im Bezug auf sein, sich aus seiner Stellung als Grundstückseigentümer ergebenden Grundstücksrecht eine Duldung, Handlung oder Unterlassung eintragen zu lassen mit der Wirkung, in seiner Stellung als Eigentümer (und nicht lediglich in seiner persönlichen Entscheidungsfreiheit) zukünftig eingeschränkt zu sein.

 

Im Rahmen des o.g. Beispielsfalles der Eintragung einer Baulast mit dem Inhalt, dass eine bestimmte Fläche als Grenzabstandsfläche zu Gunsten des nachbarlichen Bauvorhabens eingetragen wird folgt, dass der Grundstückseigentümer insoweit in seinem Eigentumsrecht beschränkt wird: die Baulast stünde u.a. einer weiteren Überbauung entgegen.

 

c) Die Baulast ist auch nicht legitimes Zwangsmittel zur Sicherstellung der Umsetzung der mit der erteilten Baugenehmigung angeordneten Bauweise. Mit der Baulast sollen rechtliche, einer Baugenehmigung entgegenstehende Hindernisse ausgeräumt werden; nimmt die Bauaufsichtsbehörde fälschlicher Weise entgegenstehende Hindernisse an, die mittels Baulast ausgeräumt werden sollen, ist die Baulast rechtswidrig. Die Baugenehmigungsbehörde kann sich nicht auf sie berufen, der Baulastverpflichtete hat einen Anspruch auf Löschung.

 

d) Die Baulast hat als Voraussetzung, dass ihr Inhalt und der Umfang der übernommenen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung deutlich aus ihr hervorgeht. Die Baulast wird wirksam mit Eintragung. Zuständig ist hierfür die jeweilige Bauaufsichtsbehörde.

 

Die Eintragung wirkt auch gegenüber Rechtsnachfolgern in die Eigentümerstellung, Baulasten gehen in der Zwangsvollstreckung nicht unter und bleiben auch wirksam, wenn die, dieser Baulast zu Grunde liegende privatrechtliche Vereinbarung zwischen dem Baulastnehmer und dem Baulastgeber einvernehmlich aufgehoben wird.

 

2. Wer kann wann welche Baulast eintragen lassen?

 

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Baulastverpflichtendem und Baulastbegünstigtem – wobei die Personen u.U. zusammenfallen können.

 

a) Erneut der bereits geschilderte Beispielsfall über die Eintragung einer Baulast mit dem Inhalt der Kennzeichnung einer Grundstücksfläche als Grenzabstandsfläche zu Gunsten des nachbarlichen Bauvorhabens: ist auf dem Nachbargrundstück hinreichend Platz für sowohl die – für das Nachbarhaus nachzuweisenden - Abstandsflächen als auch für die – hinsichtlich des Neubaus nachzuweisende - Abstandsflächen, dann kann der Bauherr des Neubaus mit seinem Nachbarn eine schuldrechtliche Vereinbarung treffen, dass der Nachbar zu Gunsten des Bauherrn eine entsprechende Abstandsfläche als Baulast auf seinem Grundstück eintragen lässt. Der Bauherr ist insoweit der Baulastbegünstigte, sein Nachbar der Baulastverpflichtete.

 

Zu beachten bleibt: inwieweit die Nachbarn eine Gegenleistung für die Eintragung vereinbaren obliegt allein ihnen und wird in der Baulast nicht eingetragen.

 

b) Die Entscheidung des OVG NRW vom 19.02.2020 stellt die Fallalternative dar, in welche der Baulastverpflichtete auch Baulastbegünstigter ist: entsprechend öffentlich-rechtlichen Vorgaben muss der Bauherr eines Grundstücks nachweisen, dass er einen bestimmten Schallschutz innerhalb der Wohneinheiten gewährleistet. Soweit er verglaste Fenster einbauen lässt, die im geöffneten Zustand den Schallschutz nicht gewährleisten, kann er ggf. zur Wahrung des gebotenen Schallschutzes eine Baulast eintragen (im Rechtsstreit des OVG NRW war schon die Annahme, dass der Schallschutz bei geöffnetem Fenster nicht gewährleistet sei, nicht zulässig, weshalb die weitergehende Forderung nach Absicherung des Schallschutzes unzulässig war und die insoweit eingetragene Baulast für rechtswidrig erklärt wurde).

 

3. Wirkung der rechtmäßigen Baulasteintragung

 

Die Baulast stellt mithin die materielle Legalität des Bauvorhabens sicher. Von der Baulast abweichende Bauausführungen ziehen daher die materielle Baurechtswidrigkeit und die entsprechenden Anordnungen der Bauaufsichtsbehörde nach sich (Rückbau, Zwangsmittel).

 

4. Problemstellungen

 

a) Absicherung des Baulastgebers und des Baulastnehmers

 

Sowohl für den Baulastgeber als auch für den Baulastnehmer bestehen ggf. Problemlagen.

 

Der Baulastgeber muss den (zeitlichen) Umfang der eingetragenen Baulast bedenken. Er sollte hinsichtlich der Einschränkung seiner Rechte als Grundstückseigentümer seinen evtl. gewollten Gegenleistungsanspruch hierfür absichern.

 

Genauso sollte der Baulastnehmer an eine zivilrechtliche Sicherung denken. Mit dem Einhalten der Baulast wird letztlich seine Baugenehmigung gesichert. Wird die Baulast durch den Baulastgeber missachtet drohen ggf. baurechtlich nachteilige Verfügungen gegen den Baulastnehmer / Baulastbegünstigten. Insoweit stellt die Baulast kein, den Baulastberechtigten begünstigendes subjektives Recht dar. Subjektiv-öffentliche Rechte können sich aus der Missachtung einer Baulast (nur dann) ergeben, wenn zugleich eine Norm verletzt wird, die dem Baulastbegünstigten ein subjektives Recht gewährt. Benötigt wird eine öffentlich-rechtliche Anspruchsposition, die eine Verpflichtung des Baulastgewährenden statuiert. Insoweit reicht z.B. der durch Art. 14 GG geschützte Anliegergebrauch (Stichwort Notwegerecht) nur soweit, wie der Anlieger zur angemessenen, eigentumsgerechten Nutzung seines Grundstücks auf die Benutzung einer Straße angewiesen ist. Beansprucht der Baulastverpflichtete einen weitergehenden Schutz (im Verhältnis zum „normalen Anwohnerverkehr“ erweiterte Nutzung im Rahmen eines Gewerbebetriebs), ist er auf die zivilrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten zu verweisen (vgl. Beschluss OVG NRW vom 07.08.2020).

 

Die zivilrechtliche Sicherung der Rechte z.B. durch entsprechende Eintragung von Grunddienstbarkeiten in das Grundbuch ist daher sinnvoll.

 

b) Auslegung und Reichweite der Baulast

 

Bezüglich der unter 4.a) genannten Problemlage sollte auch folgendes bedacht werden: sowohl für den Baulastgeber als auch für den Baulastnehmer kann entscheidend sein, ob eine Baulast grundstücksbezogen ist oder ob sie lediglich ein konkretes Bauvorhaben absichern sollte. Hier können ggf. gravierende Missverständnisse auf beiden Seiten entstehen – bezogen darauf, wer woraus welche Rechte hat und ob der jeweilige Gegenanspruch ebenfalls wegfällt oder womöglich bestehen bleibt – da eingetragene Rechte bzgl. ihrer Löschung häufig anderen Regeln unterfallen als den bekannten privatrechtlichen Regeln. Grundsätzlich gilt: Durch Auslegung des, in das Baulastverzeichnis eingetragenen Textes ist zu ermitteln, ob eine Baulast grundstücksbezogen oder vorhabenbezogen erteilt wurde. Eine vorhabenbezogene Baulast kann insb. dann angenommen werden, wenn das Vorhaben derart unmissverständlich und eindeutig bezeichnet wurde, dass sich die Rechtswirkungen der Baulast hinreichend verlässlich eingrenzen lassen. Es reicht daher nicht aus, dass in dem Text der Baulast in genereller Form auf ein bestimmtes Vorhaben hingewiesen wird. soll eine Eingrenzung auf nur ein Bauvorhaben vorgenommen werden setzt dies eine eindeutige Klarstellung durch Bezugnahme auf Einzelheiten und Pläne voraus.

 

Z.B. liegt eine Eingrenzung auf das in Bezug genommene Bauvorhaben vor, wenn auf einen Plan und hierin markierte Bestandteile Bezug genommen wurde; „Bei einem beliebigen anderen Gebäude ginge diese Bezugnahme ins Leere.“ (vgl. OVG NRW, Urt. 19.02.2020).

 

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass im oben genannten Sinne allein der Wille zur Eintragung einer Baulast nach der vorherrschenden Rechtsprechung keinen Rückschluss auf die weiteren Modalitäten der Baulast zulässt oder auf den ursprünglichen Auslöser für die Eintragung; insoweit müssen bei Formulierung der Baulast entsprechende Erwägungen berücksichtigt werden.

 

Ist die Auslegung des Baulasttextes erforderlich reichen mithin nicht allgemeine Verweise. Vielmehr müssen auch die Anknüpfungspunkte, auf denen die Auslegung beruhen soll, dargelegt / hergleitet werden, z.B. durch beigefügte Pläne oder durch einen Verweis auf konkrete Absätze des (beigefügten) notariellen Kaufvertrages.

 

Im Rahmen der Formulierung der Baulast muss auch genau darauf geachtet werden, welche Erklärungen abgegeben werden müssen, um die rechtlichen Hindernisse mittels der Baulast auszuräumen: im Fall der Eintragung einer Baulast zum Ausgleich fehlender Abstandsflächen auf dem Grundstück des Bauvorhabens muss die Baulast sowohl die Erklärung enthalten, dass die vorgesehenen Abstandsfläche nicht durch den Nachbarn / Baulastverpflichtetem überbaut werden und nicht für notwendige Abstandsflächen des eigenen Gebäudes des dienenden Grundstücks (d.h. des Baulastverpflichteten) rechnerisch belegt sind.

 

c) Können Abweichungen von der eingetragenen Baulast beantragt werden?

 

Dies wird in der Rechtsprechung kritisch gesehen. Ist ein Ausgleich zur Baulasteintragung gefunden, dann kann sich keine Partei einseitig durch die Beantragung einer Abweichung über diesen Ausgleich hinwegsetzen. Der Interessenvergleich schließt die Anforderungen für die Erteilung einer Abweichung – unabhängig davon, ob es sich um eine Ermessensvorschrift handelt oder nicht – aus (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.06.2020, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.05.2020). Es ist dann kein Grund ersichtlich, sich nach Ausnutzung der Begünstigung nunmehr über die damit verbundenen, bewusst eingegangenen Belastungen hinwegsetzen zu dürfen. Dies gilt wohl nicht nur für den Fall, dass der Baulastverpflichtete zugleich der Baulastbegünstigte ist und eine Ausnahme nur gegenüber der Bauaufsichtsbehörde beantragt wird sondern auch für den Fall, dass zwischen den nachbarlich verbundenen Baulastverpflichtetem und Baulastberechtigtem ein (nur) privatrechtliches Verhältnis (welches per se keinen Eingang in die Baulast erhält) besteht; auch hier bewirkt der Ausgleich zwischen den über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen des Bauherrn und seines Nachbarn den Ausschluss der Möglichkeit der Erteilung einer bauordnungsrechtlichen Abweichung.

 

Insoweit werden die im Synallagma stehenden Ziele der Parteien (Bauherr, Bauaufsichtsbehörde, Nachbar) bei Abschluss der Baulast relevant, auch wenn sie keinen expliziten Eingang in den Baulasttext gefunden haben (wie die privatrechtlichen Ansprüche der Nachbarn untereinander).

 

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