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Kündigung wegen Eigenbedarfs: Kein Rechtsmissbrauch durch mangelnde Bedarfsvorschau Seitens des Vermieters bei Vetragsabschluss

Das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek hat aufgrund einer mündlichen Verhandlung vom 21.10.2015 ein exemplarisches Urteil zum „berechtigten Interesse“ des Vermieters bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs gefällt, § 573 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 BGB.

 

Das Mietverhältnis zwischen den Parteien begann zum 01.Oktober 2013, Ende August 2014 kündigte der Vermieter den Mietvertrag mit Wirkung zum November desselben Jahres. In seinem Kündigungsschreiben führte der Vermieter sehr dezidiert an, dass die Kündigung aufgrund des Gesundheitszustandes seines Vaters ausgesprochen würde. Der Gesundheitszustand seines Vaters erfordere den Umzug in die Wohnung der Beklagten, da seine Eltern (beide gehobenen Alters) auf kurze Sicht nicht in ihrer bisherigen Wohnung verbleiben könnten, die Wohnung der Beklagten hingegen könnte barrierefrei ausgebaut werden, der Sohn bekäme die Möglichkeit seiner Mitter bei der Betreuung ihres Ehemannes zu unterstützen. Im Verfahren gaben der Kläger und seine Eltern ferner an, dass ein Umzug zwischen Ihnen ab Mitte 2014 besprochen worden sei, eine Entscheidung durch die Eltern aber erst im Herbst gefällt wurde.

 

Bemerkenswert an dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek ist die sorgfältige Analyse des Sachverhaltes am Gesetzestext. Sehr strukturiert wird dargelegt, dass nach der herrschenden Rechtsprechung das berechtigte Interesse des Vermieters dann vorliegt, wenn der Vermieter vernünftige Gründe für die Inanspruchnahme der Wohnung durch Familienangehörige angibt, die den Nutzungswunsch nachvollziehbar erscheinen lassen und dies jedenfalls dann gegeben sei, wenn ein Familienangehöriger erkrankt sei und die streitgegenständliche Wohnung barrierefrei hergerichtet werden soll. Das Gericht geht sehr gewissenhaft auf den Vortrag des Klägers ein und bewertet auch die Aussagen der Eltern des Klägers als Zeugenaussagen sehr genau. Explizit setzt sich das Gericht damit auseinander, warum die Zeugenaussagen der Eltern glaubwürdig seien, obwohl sie im Verfahren ein Eigeninteresse an dessen Ausgang haben.

 

Ferner setzt sich das Gericht mit den Erwiderungen der Beklagten auseinander. Der Einwand, dass sie mangels anderweitiger Aussagen des Klägers auf ein längerfristiges Mietverhältnis vertraut hätten – zumal es sich um einen Staffelmietvertrag gehandelt hätte – und der Kläger um den zeitnahen Eigenbedarf bei Vertragsschluss hätte wissen müssen dringt nach Ansicht des Gerichts nicht durch. Zwar könne eine Kündigung wegen Eigenbedarfs wegen Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB ausgeschlossen sein, wenn der Vermieter bei Anmietung erwägt oder entschlossen ist die Wohnung zeitnah selbst in Gebrauch zu nehmen. Dies sei aber nicht gegeben, wenn das künftige Entstehen eines Eigenbedarfs zwar im Rahmen einer Bedarfsvorschau erkennbar gewesen wäre, der Vermieter aber tatsächlich bei Abschluss des Mietvertrages (nicht einmal) die Geltendmachung von Eigenbedarf für sich in Betracht gezogen hat. Das Gericht erkennt an, dass ein Vermieter dadurch, dass er einen unbefristeten Mietvertrag anbietet und keine Angaben zu weiteren internen familiären Bedingungen macht, nicht zum Ausdruck bringt, dass er einen möglichen Eigenbedarf für Familienangehörige geprüft hat und momentan ausschließt.

 

Eine derartige Lebensplanungs-Pflicht für den Vermieter, die ggf. einen mehrjährigen Zeitraum umschließt, würde die verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit des Vermieters missachten, dass er über die Verwendung seines Eigentums nach Art. 14 GG innerhalb der gesetzlichen Grenzen frei bestimmen kann. Das Gericht erkennt an, dass für die Beurteilung der Entschlossenheit des Vermieters, Eigenbedarf anzumelden nicht allein auf seine Darstellung abgestellt werden dürfe, vielmehr müsste eine Würdigung der Gesamtumstände stattfinden, wobei auch auf objektive äußere Umstände zurückgegriffen werden könne, sofern diese tragfähige Anhaltspunkte für den Kenntnisstand des Vermieters abbildeten.

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