1. Verkauf erlaubt?
Fall: Die Klägerin ist Eigentümerin mehrerer forst- und landwirtschaftlich, teils baulich genutzter Grundstücke. Zu den Gebäuden gehören ein Kraftwerk und ein Riegel von vier Reihenhäusern. Eines der mittleren Häuser wird an den Beklagten für monatlich 1.250,00 DM vermietet. Das Mietverhältnis wurde zum 31.10.1986 gekündigt. Die Klägerin begründete die Kündigung damit, sie beabsichtige einen Verkauf des Hauses und benötige zur Finanzierung umfangreicher Renovierungsmaßnahmen an den anderen Objekten, insbesondere dem Kraftwerk, Kapital und habe bereits jetzt hohe Bankdarlehen in Anspruch genommen. Mit dem Verkaufserlös sollten die Renovierungsarbeiten durchgeführt und das Bankdarlehen zurückgeführt werden. Ein anderes Mittelhaus habe sie 1984 für 500.000,00 DM verkauft. Diesen Betrag könne sie auch für das gekündigte Objekt erlösen, aber nur im unvermieteten Zustand. Vermietet sei das Objekt nur 250.000,00 DM wert.
Beim Erlös von 500.000,00 DM könnte die Klägerin die jährlichen Zinszahlungen um etwa 45.000,00 DM verringern. Selbst wenn die monatlichen Mietzinszahlungen gegengerechnet und ein jährlicher Renovierungsaufwand von 1.000,00 DM abgezogen wird, kommt es immer noch zu einer Ersparnis von 31.000,00 DM. Zudem bestand auf dem Grundstück eine Grundschuld von 360.000,00 DM. Der monatliche Abtrag von 2.465,00 DM würde die Mietzahlungen der Beklagten um fast das doppelte Übersteigen. Ein Fortfall dieser Belastung entspreche einer Brutto-Gewinnerhöhung von 50.000,00 DM.
Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits hat die Klägerin das Grundstück veräußert. Der neue Eigentümer betreibt die Räumung des Grundstücks wegen Eigenbedarfs und hat inzwischen ein erstinstanzliches Räumungsurteil erstritten. Die Klägerin verfolgt ihren Anspruch weiter, sie beabsichtigt die Beklagte auf Ersatz der monatlichen Einbußen sowie des Mindererlöses in Anspruch zu nehmen. Verkauft wurde das Grundstück für 420.000,00 DM.
Die Klage war in den ersten beiden Instanzen erfolglos, wie entscheidet das BVerfG?
Antwort: Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. Das Rechtsschutzbedürfnis besteht fort, da die Klägerin die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch nehmen möchte. Das kann sie nur, wenn die abweisenden Urteile aufgehoben werden.
Als Verwertung, die eine Kündigung rechtfertigen kann, ist grundsätzlich auch der Verkauf des vermieteten Objekts anzusehen. Eine Auslegung, die dieses elementare Recht des Eigentümers ausschließen will, ist verfassungswidrig. Das Recht zum Verkauf darf nicht auf Fälle andernfalls drohenden Existenzverlusts reduziert werden. Private, insbesondere unternehmerische Investitionen bürgen stets die Gefahr in sich, dass sie sich als unrentabel erweisen. Der Zugriff auf sein gesamtes Vermögen ist dem Eigentümer auch zu dem Zwecke garantiert, derartige Verluste ausgleichen zu können. Dem Vermieter kann nicht angesonnen werden, dass Mietverhältnis bis an die Grenze des wirtschaftlichen Zusammenbruchs fortzusetzen (BVerfG 14.02.1989 – 1 BvR 1131/87).
2. Abriss erlaubt?
Die Klägerin wollte in Leipzig ein 16-geschossiges Wohngebäude abreißen und kündigte das Mietverhältnis mit dem Beklagten zum 31.07.2002 ordentlich. Begründet wurde dies damit, dass das Haus 1984 erbaut und seitdem nicht grundlegend saniert worden sein. Zum Zeitpunkt der Kündigung waren nur sechs Wohnungen vermietet. Die monatlichen Betriebskosten beliefen sich auf ca. 7.000,00 Euro, es bestand erheblicher Instandsetzungsbedarf. Die Abrissgenehmigung der Stadt Leipzig lag vor.
In der Verhandlung vor dem AG Leipzig wurde ein Räumungsvergleich geschlossen. Das Gericht hatte nur noch über die Kosten des Vergleichs zu entscheiden.
Entscheidung: Die Kosten wurden gegeneinander aufgehoben. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass hier keine Verwertungskündigung nach § 573 II BGB vorliegen würde, sondern eine Kündigung nach § 573 I BGB, also wegen eines „berechtigten Interesses“. Hier hatte die Klägerin umfangreich vorgetragen, dass es ein erhebliches Missverhältnis zwischen (Renovierungs-) Kosten und Einnahmen geben würde. Das Zahlenwerk der Klägerin war aber bestritten, der Ausgang des Rechtsstreits offen.
Siehe auch BGH 24.03.2004 – VIII ZR 188/03 in NJW 2004, 1736. Der Ersatzlose Abriss eines Gebäudes ist keine wirtschaftliche Verwertung i. S. d. § 573 II Nr. 3 BGB. Der Abriss stellt keine Realisierung eines dem Grundstück innenwohnenden Wertes dar. In diesem Verfahren ging es in erster Linie um die Frage, ob aufgrund des Einigungsvertrags eine Verwertungskündigung ausgeschlossen sei.
3. Kündigung durch Bank
Fall: Die Klägerin, eine Bank, nimmt die Beklagte auf Räumung und Herausgabe eines Einfamilienhauses in Anspruch. Die Klägerin hat das Grundstück in der Zwangsversteigerung erworben. Hier bestand die Besonderheit, dass ein Fall der „Gläubigerbenachteiligung“ vorlag. Nach Einleitung des Insolvenzverfahrens bestellte die damalige Eigentümerin zugunsten des Mieters ein dingliches Wohnrecht sowie eine Grundschuld über 200.000,00 Euro. Kurze Zeit später heirateten die Geschäftsführerin der damaligen Eigentümerin und der Mieter. Die Bank kündigte das Mietverhältnis nach § 57a ZVG, § 573d II BGB. Darf die Bank das?
Antwort: In diesem Fall Ja! Zwar wird in Rechtsprechungen und Literatur die – streitige – Ansicht vertreten, die Kündigung eines Mietverhältnisses durch eine Bank sei unangemessen, wenn die Bank das Haus oder die Wohnung eines zahlungsunfähigen Darlehensschuldners ersteigert und sodann das Mietverhältnis kündigt, um die Immobilie mit Gewinn verkaufen zu können. Notleidende Kredite seien das typische Risiko des Darlehensgebers, die nicht über die Kündigungsbefugnis auf den Mieter abgewälzt werden dürfen. Das soll aber zumindest dann nicht gelten, wenn der Mietvertrag wegen Gläubigerbenachteiligung angefochten werden kann. Es fehlt dann an einem Schutzbedürfnis des Mieters. Weiter: „Es liegt auf der Hand, dass eine Verwertung zu zumutbaren Bedingungen hier nicht möglich ist. Zu Recht hat das AG ausgeführt, dass Einfamilienhäuser im vermieteten Zustand nur schwer verkäuflich sind, weil diese Objekte gewöhnlich zur eigenen Nutzung nachgefragt werden. Mit einem dem Erwerber bindenden Mietvertrag, der zudem langfristig keine Mietzahlungen vorsieht, ist allenfalls ein geringer Veräußerungserlös zu erzielen.“ (BGH 16.01.2008 – VIII ZR 254/06 in NJW-RR 2008, 869)
4. Abriss oder Pinselsanierung?
Ist wegen des Alters und des schlechten baulichen Zustands eines Gebäudes, gemessen an üblichen Wohnverhältnissen eine „Vollsanierung“ oder ein Abriss mit anschließender Errichtung eines Neubaus geboten, kann ein erheblicher Nachtteil des Vermieters im Sinne des § 573 II Nr. 3 BGB darin liegen, dass er andernfalls auf notdürftige Maßnahmen (Minimalsanierung) verwiesen ist, die weder zu einer nachhaltigen Verbesserung noch zur Verlängerung einer verhältnismäßig geringen Restlebensdauer des Gebäudes (hier 15 bis 20 Jahre) führen.
Die Ausübung des Kündigungsrechts durch die Klägerin ist auch nicht deswegen rechtsmissbräuchlich, weil sie das Grundstück in Kenntnis der Sanierungsbedürftigkeit und Unrentabilität des Gebäudes gekauft hat. Da der Abriss und der anschließende Neubau wirtschaftlicher Vernunft entsprechen, ist es unerheblich, ob die gebotene Maßnahme durch den bisherigen Eigentümer oder einen Erwerber durchgeführt wird. Hier bestanden jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die Voreigentümer das Gebäude bewusst heruntergewirtschaftet hätten, um den Abriss des Gebäudes leichter durchsetzen zu können. Allein der Umstand, dass der jetzige Zustand des Gebäudes bei nachhaltigen Investitionen der Voreigentümer hätte vermieden werden können, lässt die von der Klägerin erklärte Kündigung des Mietverhältnisses noch nicht als treuwidrig erscheinen (BGH 28.01.2009 – VIII ZR 8/08 in WuM 2009, 182).
Hier hatte die Klägerin in Heidelberg ein Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten erworben und sämtlichen Mietern gekündigt. Das Gebäude sei sanierungsbedürftig und unwirtschaftlich, es komme daher nur ein Abriss in Frage. Noch während des Rechtsstreits wurden von der Klägerin die projektierten Eigentumswohnungen zum Kauf angeboten. Die Klägerin hatte vorgerechnet, dass sie durch den Verkauf der neu zu errichtenden Wohnungen einen Erlös erzielen könnte, der ihre Aufwendungen um ca. 830.000,00 Euro übersteigen würde. Sie errechnete hierzu eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals in Höhe von 16 %. Bei einer Minimal- oder auch Vollsanierung sei nur eine Rendite von 2,5 % erzielbar. Diese würde unter der üblichen Rendite für derartige Objekte von ca. 4 % liegen. Diese Überlegungen wurden durch die Gerichte gebilligt. Hier kam hinzu, dass Investitionen in das Gebäude nur zu einer zusätzlichen Restnutzungsdauer von 15 bis 20 Jahren geführt und schon eine Minimalsanierung Kosten von 70.000,00 Euro verursacht hätten. Damit würde das Gebäude dann aber nicht heutigen Wohnverhältnissen und Ansprüchen entsprechen. Das wäre nur mit einer Vollsanierung, Teilentkernung und einem Investitionsaufwand von ca. 580.000,00 Euro möglich. Zusätzliches Problem: „Bestandschutz“
5. Die „Ried-Siedlung“
Die Ried-Siedlung wurde in den 1930er Jahren in einfacher Bauweise errichtet und bestand ursprünglich aus ca. 500 Wohneinheiten. Die Wohnungen verfügten über kleine, gefangene Räume mit niedrigen Decken, schlechte Belichtung, Ausstattung mit kleinem WC-Raum und Waschbecken u.a. Die Siedlung ist weitestgehend leergezogen, die Beklagte bewohnt eine 2,5-Zimmerwohnung. Die Klägerin, das städtische und kommunale Wohnungsunternehmen der Stadt Hamburg hat das Mietverhältnis durch eine Verwertungskündigung ordentlich gekündigt. Es ist ein Abriss und Neubau geplant.
Die Beklagte hat die Wohnung nach Erlass des Berufungsurteils geräumt. Die Klägerin hat den Rechtsstreit – einseitig – für erledigt erklärt.
Entscheidung: Die Kündigung der Klägerin war begründet! In der Kündigung hat die Klägerin dargelegt, dass die Kosten einer Modernisierung mit 1.250,00 Euro/ Quadratmeter fast die mit 1.650,00 Euro/ Quadratmeter kalkulierten Neubaukosten erreichen würden. Eine Modernisierung würde aber städtebauliche Mängel nicht beseitigen. Die Klägerin beabsichtige einen Neubau für Familien und die Steigerung der Attraktivität der Siedlung. Abriss- und Zweckentfremdungsgenehmigung liegen vor. Zwar habe die Klägerin bei der Kündigung keine aktuellen Berechnungen dazu vorgelegt, welche Kosten bei einer Sanierung entstünden sondern mit veralteten Rechnungen gearbeitet. Bei einer Verwertungskündigung wegen eines geplanten Abriss und Neubaus reicht es für die Begründung aber aus, wenn den Mietern mitgeteilt wird, aus welchen Gründen der Vermieter die vorhandene Bausubstanz nicht für erhaltenswert hält und welche baulichen Maßnahmen er stattdessen plant. Die Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung ist nicht notwendig, ebenso wenig wie Ausführungen zu einer Sanierungsalternative. Fehler einer vom Vermieter gleichwohl vorgelegten Berechnung führen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung aus formellen Gründen.
Der Klägerin sei es nicht zuzumuten, mit Rücksicht auf das Mietverhältnis mit der Beklagten das Mietobjekt weiter zu bewirtschaften, obwohl dieses einen nicht behebbaren niedrigen Wohnwert aufzeigt und sie hierzu alternativ bereits ein städtebauliches Konzept entwickelt hat. Aus diesen Gründen ist es auch nicht relevant, ob der aktuell schlechte bauliche Zustand auf unterlassene Erhaltungsmaßnahmen zurückzuführen ist (BGH 09.02.2011 – VIII ZR 155/10 in NJW 2011, 1135).
6. Verwertungskündigung für Verkauf?
Hier wurde im Jahr 1953 von einem VEB der ehemaligen DDR ein Einfamilienhaus gemietet. Dieser ging nach der Wiedervereinigung auf die Kläger als Erbengemeinschaft über. Die Kläger erklärten am 16.07.2007 die Kündigung des Mietverhältnisses mit der Begründung, sie beabsichtigten das verlustbringende Mietobjekt zum Zweck der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu veräußern. Die Klage wurde in zwei Instanzen abgewiesen. Wie entscheidet der BGH?
Der BGH hebt die Urteile auf und weist das Verfahren an das Berufungsgericht zurück! Für die Verwertungskündigung spricht hier die Argumentation der Kläger, dass der Käufer eines Einfamilienhauses es in der Regel selbst nutzen will. Ein solcher Kaufinteressent muss für die Verwirklichung einer Eigenbedarfskündigung mehrere Jahre einkalkulieren und werde deshalb vom Kauf Abstand nehmen, sodass das Objekt – auf absehbare Zeit – praktisch unverkäuflich sei. Dieser Sachverhalt muss durch das Landgericht als Berufungsgericht näher aufgeklärt werden.
Die weitere Begründung des Landgerichts, ein „erheblicher Nachteil“ sei hier zu verneinen, da der Vermieter das vermietete Grundstück im Erbgang erworben und sich der Verkehrswert des Objekt seither nicht verschlechtert hat, liegt neben der Sache. Die Kläger hatten weder auf die frühere Vermietung noch auf die Instandhaltung Einfluss. Eigentümer ehemals staatlich verwalteter Wohnungen, an denen bei der Aufhebung der staatlichen Verwaltung gegebenen Zuständen und auch nach deren Beendigung festzuhalten und ihnen zuzumuten, dauerhaft Verluste ohne eine Verwertungsmöglichkeit hinzunehmen, ist mit den Eigentumsgrundrecht nicht vereinbar (BGH 08.06.2011 – VIII ZR 226/09 in WuM 2011, 426).
7. Erheblicher Nachteil bei Wertminderungen von 40 %?
Gegenstand des Verfahrens war eine 3-Zimmerwohnung in München. Die im Jahr 2008 gezahlte Miete belief sich auf 511,19 Euro inklusive. Die Kündigung wurde mit der Begründung ausgesprochen, dass die von dem Mieter gezahlte Inklusivmiete gerade einmal kostendeckend sei. Eine Sanierung der Wohnung und einer Nachbarwohnung würde Kosten in Höhe von ca. 70.000,00 Euro verursachen, diese habe der Vermieter nicht. Die Fortsetzung des Mietverhältnisses sei für den Vermieter unwirtschaftlich, der Verkauf der Wohnung im vermieteten Zustand wäre nur zu einem „Schleuderpreis“ möglich. Das Amtsgericht gab der Klage statt und verurteilte die Mieterin zur Räumung. Wie entscheidet das Landgericht?
Das Landgericht hält das Räumungsurteil! Die Kläger haben hier „berechtigtes Interesse“ schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Der beabsichtigte Verkauf stellt eine wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks dar. Dieser ist auch angemessen, da die Kläger die Wohnung wegen dessen fehlender Rentabilität veräußern möchten. Hinzu kommt hier der bauliche Zustand der Immobilie mit den hohen Kosten für eine Instandsetzung, die der Kläger nicht wagen kann. Die Immobilie befindet sich in einem „abrisswürdigen Zustand“. Eine Vermietung nach Sanierung würde immer noch einen jährlichen Verlust (negativer Gebäudeertragsanteil) von mehr als 5.000,00 Euro ergeben. Bei Fortsetzung des Mietverhältnisses könnte der Eigentümer und Vermieter nur einen unangemessen niedrigen Kaufpreis erzielen. Nur der Grundstückswert – ohne Gebäude – beläuft sich auch ca. 500.000 Euro. Demgegenüber ist das Grundstück mit Gebäude und Mietverhältnis kaum vermarktungsfähig. Nach Auskunft eines Sachverständigen beträgt der Differenzbetrag ca. 200.000,00 Euro weniger, also eine Wertminderung von ca. 40 %. Auch der Umstand, dass die Kläger das Objekt bereits im vermieteten Zustand erworben haben, steht dem nicht entgegen. Zwar würde einem vermieteten Grundstück – streitig – von Anfang an ein Minderwert anhaften, sodass eine Kündigung letztlich einen wirtschaftlichen Wert realisiert, der dem Erwerber nie zur Verfügung stand. Es verbieten sich aber Auswirkungen eines Vermieterwechsels auf die Voraussetzungen einer Verwertungskündigung vor dem Hintergrund, dass die §§ 566 ff. BGB darauf abzielen, dass sich die Rechtsposition des Mieter durch den Vermieterwechsel verschlechtert, gleichzeitig aber eine Verbesserung der Rechtstellung des Mieters im Hinblick auf die Kündigungsvoraussetzungen nicht bezweckt ist. So verneint auch der BGH einen erheblichen Nachteil nicht etwa deshalb, weil der Vermieter das vermietete Grundstück in einem schlechten und unrentablen Zustand erworben und sich der Verkehrswert des Objekts nicht verschlechtert hat. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Verwertungskündigung auch dann möglich, wenn ein Erwerber ein Grundstück im vermieteten Zustand mit dem Ziel der Freikündigung und des anschließenden Abrisses des Gebäudes zum Zwecke der Neuerrichtung von Wohnraum erworben hat. Deshalb muss es dem Eigentümer auch möglich sein, ein solches abrisswürdiges Objekt selbst angemessen zu verwerten, auch wenn der mögliche Abriss des Gebäudes erst durch einen späteren Käufer erfolgt.
Hier lag auch kein „kurzfristiger spekulativer Erwerb“ vor, da das Mietverhältnis bereits ca. 15 Jahre andauerte. Die Abrisswürdigkeit hat sich erst im Laufe der Zeit ergeben. Anhaltspunkte für eine „Rechtsmissbräuchlichkeit“, also bewusste Vernachlässigung des Mietobjektes, sind auch nicht gegeben (LG München I, Az.: 14 S 8110/12).
8. Rendite von 1,62 % reicht für Verwertungskündigung nicht
Das Eigentum gewährt dem Vermieter keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil entsprechen. Wird von seitens des Vermieters für den Fall eines Neubaus eine Renditesteigerung von lediglich 1,62 % im Vergleich zur Sanierung des Gebäudes bei einer Weitervermietung dargelegt, so reicht dies für die Begründung eines berechtigten Verwertungsinteresses des Vermieters nicht aus (AG Stuttgart 02.12.2013, Az.: 34 C 3461/13).
Schlecht gerechnet….
9. Kündigung und Zusammenfassung einzelner Wohnungen
Das ein Vermieter ein wohnzwecken dienendes Mietobjekt mit einem Badezimmer ausstatten und den Wohnraum durch Zusammenfassung einzelner Wohnungen vergrößern will, ist ein nachvollziehbares Interesse im Rahmen des § 573 II BGB für die Verwertungskündigung und die erforderliche Verwertungsabsicht. Insbesondere müssen die Interessen des Mieters am Fortbestand des Mietverhältnisses zurückstehen, wenn der Vermieter beabsichtigt, eine Wohnung mit einem Bad auszustatten (LG Hannover 11.03.2014 – 4 S 98/13)
Die Kläger haben hier nachvollziehbar Pläne für bauliche Veränderungen und die Zusammenfassung verschiedener kleiner Wohnungen vorgelegt. Die Ausstattung der Wohnung mit einem Bad ist nur durch den Zuschlag eines weiteren Raumes möglich und zeitgemäß. Die Kläger müssen hier auch keine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorlegen. Es ist vielmehr offensichtlich, dass der gegenwärtige Zustand des Objekts nicht mehr zeitgemäß und daher ein Umbau geboten ist, um finanzielle Nachteile der Kläger zu verhindern.
10. Unzulässige Vorratskündigung
Es handelt sich um eine unzulässige Vorratskündigung, wenn der Vermieter dem Mieter den Kauf der an ihn vermieteten Räume auf Grundlage eines Verkehrswertes von 115.000,00 Euro anbietet und gleichzeitig eine Verwertungskündigung damit begründet, eine angemessenen Verwertung sei nur durch Veräußerung an Dritte in unvermietetem Zustand möglich (LG Berlin 27.03.2014 – 67 S 475/13).
Nach Ansicht des Gerichts war es widersprüchlich, einerseits eine Veräußerung des Grundstücks im unvermieteten Zustand vornehmen zu wollen und andererseits dem Mieter den Kauf der Wohnung anzubieten.
11. Verwertungskündigung und Begründungspflicht
Gibt der Vermieter die Gründe, die eine Verwertungskündigung des Mietverhältnisses tragen sollen, im Kündigungsschreiben nicht ausreichend an, führt dies zur Unwirksamkeit der Kündigung. Die Begründungspflicht ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung. Plant der Vermieter umfassende Sanierungsarbeiten, muss sich dem Kündigungsschreiben für den Mieter entnehmen lassen, warum der Bestand des Mietverhältnisses die beabsichtigten Sanierungsmaßnahmen verhindert und welche konkreten Nachteile er hätte, wenn er von der beabsichtigten Verwertung Abstand nimmt (AG Dresden 04.07.2014 – 141 C 645/14).
Hier hob das Gericht hervor, dass dem Vermieter die Möglichkeit offen gestanden hätte, die Modernisierung des Mietverhältnisses auch gerichtlich über eine Duldungsklage u.ä. durchzusetzen. Auch die Begründung der Kündigung sei nicht ausreichend. Zwar sei eine Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht erforderlich, dem Kündigungsschreiben muss aber zumindest zu entnehmen sein, welche konkreten Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten durchzuführen sind und welche konkreten Nachteile dem Vermieter drohen, wenn er diese Modernisierung nicht durchführt. Diese beiden Punkte müssen zwingend dargestellt werden.
Auch bauliche Veränderungen, beispielsweise die Vergrößerung der Wohnung durch Eingliederung von Teilen einer Nachbarwohnung, müssen schlüssig und nachvollziehbar dargelegt werden. Nicht jede Grundrissveränderung einer Wohnung, die mit dem Einbau eines Bades und eines Innen-WCs in eine bestehende Wohnung einhergeht, übersteigt die Grenzen einer vom Mieter zu duldenden Modernisierung solange die Wohnung als solche in ihren äußeren Begrenzungen erhalten bleibt.
12. Der Immobilienentwickler kündigt…
Eine angebliche Existenzgefährdung des Vermieters, die allein auch seiner Fehlkalkulation beruht, weil er als gewerblicher Immobilienentwickler die rechtlichen Voraussetzungen der Durchsetzbarkeit von Kündigungen der bestehenden Mietverhältnisse beziehungsweise die Rentabilität des angestrebten Neubaus bei Fortführung der bisherigen Mietverhältnisse falsch einschätzt, kann bereits grundsätzlich nicht zu Lasten des Bestandsmieters wirken. Dies jedenfalls nicht in den Fällen, in denen das vom Vermieter in Kenntnis dieser Umstände erworbene Objekt keinen besonderen Sanierungsbedarf aufweist (LG Berlin 25.09.2014 – 67 S 207/14).
Das AG Berlin-Mitte hatte die Klage noch als unzulässig abgewiesen, da sie auf künftige Räumung gerichtet war. Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde die Klage zulässig, das LG Berlin hat die Klage dann aber als unbegründet abgewiesen. Zum Teil wird vertreten, dass der Erwerb eines vermieteten Mietobjekts bei Spekulations- und Risikogeschäften den wirksamen Ausspruch einer Kündigung grundsätzlich entgegensteht. Hier war es zudem so, dass 20 intakte Wohnungen abgerissen werden sollten. Vorgerechnet wurden Investitionskosten von 33,5 Millionen Euro und ein erwarteter Verkaufspreis von 48,2 Millionen Euro mithin ein Gewinn von 12,7 Millionen Euro. Dem Stand (in der Sache allerdings streitig) eine jährliche Unterdeckung aus der Bewirtschaftung des Objekts für den Kläger gegenüber. Bei der Interessenabwägung war hier zu berücksichtigen, dass der Kläger das Objekt in Kenntnis der Vermietung und der eingeschränkten Möglichkeiten der Beendigung der bestehenden Mietverhältnisse erworben hat. Jedenfalls kommt einem ausschließlich oder vornehmlich spekulationsgeschäftlich begründeten Kündigungsinteresse im Rahmen einer Gesamtabwägung ein geringeres Gewicht zu als einem Verwertungsinteresse, das zwar auch erwerbswirtschaftlich motiviert ist, zu einem nicht unwesentlichen Anteil aber auch darauf beruht, dass die erforderliche weitere Bewirtschaftung eines sanierungsbedürftigen Mietobjekts mit schwer kalkulierbaren Risiken verbunden ist und keine nachhaltige Verbesserung der Bausubstanz sicherstellt. Um ein derartiges Mietobjekt handelte es sich hier aber gerade nicht!
13. „Rettet Elisa“
Die Klägerin, eine Wohnungsbaugenossenschaft, plant den Abriss und Neubau des im Jahr 1928 errichteten Gebäudekomplexes „Am Elisabethgehölz“ in Hamburg, bestehenden aus 122 Wohnungen. Der bauliche Zustand des Gebäudes ist instandsetzungsbedürftig, es besteht ein erheblicher Modernisierungsrückstand. Das Gebäude weist durchweg kleine Wohnungen mit einer Größe von 1 bis 2,5-Zimmern auf und befindet sich seit Errichtung im Eigentum der Klägerin. Die Klägerin möchte einen Neubau mit mehr als 100 Wohnungen errichten, darunter auch große, familienfreundliche Wohnungen und öffentliche geförderte Wohnungen. Der Neubau soll im KfW 70-Standard errichtet werden.
Die Neubauwohnungen werden dann für Netto-Kaltmieten von 5,90 Euro/ Quadratmeter (erster Förderweg der FHH) und 8,20 Euro/ Quadratmeter (zweiter Förderweg der FHH) anfängliche Miete mit Staffel angeboten werden.
Bei einer öffentlich geförderten Sanierung würde die anfängliche Netto-Kaltmiete ca. 7,00 Euro/ Quadratmeter betragen. Die Kosten für den Neubau liegen einschließlich einer Sicherheitsreserve von 15 % bei 2.900,30 Euro/ Quadratmeter, die Kosten der Sanierung ohne Berücksichtigung eventueller Ertüchtigungsmaßnahmen an der Statik des Gebäudes bei 1.800,50 Euro/ Quadratmeter.
Die Beklagte lebt in einer 1,5-Zimmerwohnung zu einer monatlichen Netto-Kaltmiete von 161,02 Euro.
Die Klägerin erklärt eine Verwertungskündigung und begründet diese u.a. damit, dass nach einer vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnung eine „Einfachinstandsetzung“ einen jährlichen Verlust von 115.000,00 Euro zur Folge hätte, eine umfassende Modernisierung ein Fehlbetrag/Verlust von 550.000,00 Euro. Dabei werden Abschreibungszeiträume von 25 beziehungsweise 50 Jahren in Ansatz gebracht. Eine umfangreiche Modernisierung sei rechtlich aber ohnehin nicht möglich, da in diesem Fall das Gebäude den Bestandschutz verlieren würde. Aufgrund der öffentlichen Förderung könnte die Klägerin dem Gegenüber einen Neubau mit einem jährlichen Überschuss von ca. 1.360,72 Euro vermieten.
Die Klägerin erhebt Räumungsklage. Ist die Räumungsklage begründet?
Antwort: Ja. Die erforderliche Zweckentfremdung- und Abrissgenehmigung liegen vor, eine Baugenehmigung ist nicht erforderlich. Hier im Verfahren vorgebrachte Fragen des Denkmalschutzes haben für die Verwertungskündigung keine Relevanz. Die geplante Art der Verwertung ist schlüssig und angemessen. Grundsätzlich ist es dem Gericht verwehrt, Planungen des Eigentümers durch eigene, vermeintlich vernünftigere Entscheidungen zu ersetzen. Im Vordergrund steht hier der schwierige und nicht zeitgemäße Zustand des Gebäudes. Hinzu kommen die nicht zeitgemäßen Grundrisse der Wohnungen. Unabhängig von der Frage des Bestandschutzes ist es der Klägerin auch nicht zuzumuten, auf Sanierungsvarianten verwiesen zu werden. Die Klägerin hat u.a. dargelegt, dass sie die Wohn- und Mitgliederstruktur durch Schaffung attraktiver familiengerechter Wohnungen verbreitern möchte. Zudem kann die Klägerin nicht darauf verwiesen werden, ihren Mitgliedern lediglich einen sanierten Bestand anzubieten und keine den heutigen Ausstattungsstandard entsprechenden Wohnungen.
Demgegenüber muss das Bestandsinteresse der Beklagten zurücktreten, zumal die Klägerin hier auch angeboten hat, der Beklagten ein Rückkehrrecht in den Neubau einzuräumen.
Die Beklagte dringt auch mit dem Einwand aus § 242 BGB, die Klägerin habe eine „Entmietungsstrategie durch bewusstes Herunterwirtschaften des Gebäudes“ verfolgt, nicht durch. Dass die Klägerin seit 2011, also dem Zeitpunkt der Planung für ein Neubauvorhaben nicht weiter vermietet und investiert hat, ist nachvollziehbar und steht der Kündigung nicht entgegen (AG Hamburg-St. Georg, Az.: 920 C 171/14 und LG Hamburg, Az.: 316 S 10/15).
14. Wie es nicht geht….
Ein Kündigungsschreiben, das lediglich den Gesetzeswortlaut oder das Kündigungsinteresse, wie zum Beispiel die Absicht des Verkaufs der Wohnung, mitteilt, genügt der Begründungspflicht des § 573 III BGB nicht. Der Mieter muss vielmehr auf der Grundlage des vom Vermieter mitgeteilten Lebenssachverhalts überprüfen können, ob er die Kündigung mit Aussicht auf Erfolg in Frage stellen kann oder hinnehmen will.
Der bloße Umstand, dass eine Wohnung vermietet ist beziehungsweise bei einem Verkauf in unvermietetem Zustand ein Mehrerlös werden kann, ist allgemein bekannt und offenkundig. Dies reicht für eine Kündigung aber nicht aus, da sonst die mieterschützende Funktion des BGB im Ergebnis leer laufen würde. Das Eigentum gewährt dem Vermieter eben keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen (LG Berlin vom 30.04.2015, Az.: 65 S 4/15).
Der Kläger hatte hier im Kündigungsschreiben nur mitgeteilt, dass er die Wohnung aus Altersgründen im leerstehenden Zustand verkaufen wollte und dazu mitgeteilt, es sei allgemein bekannt, dass die Wohnung im vermieteten Zustand nur mit einem erheblichen Abschlag verkauft werden könnte. Es fehlten jegliche Konkretisierungen des Verlustes, der möglichen Nachteile des Unterlassens des Verkaufs oder des Verkaufs im vermieteten Zustand. Die Vorteile beziehungsweise Nachteile des Vermieters bei einem Verkauf sind stets gegenüber dem grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters abzuwägen. In die Abwägung kann dann auch einfließen, ob der Vermieter das Objekt in Kenntnis der Vermietung und damit in Kenntnis der eingeschränkten Möglichkeiten der Beendigung des Mietverhältnisses erworben hat. Hier hatte der Kläger zudem bei der Wohnung über Jahre von einem Steuersparmodell profitiert, das ausgelaufen war. Jetzt wollte der Kläger seinen Gewinn optimieren…
15. Spekulationsgeschäft
Bei der Interessenabwägung anlässlich einer Verwertungskündigung gemäß § 573 II Nr. 3 BGB ist besonders zu berücksichtigen, dass der Vermieter das Objekt in Kenntnis des Mietvertrags und damit in Kenntnis der eingeschränkten Möglichkeiten zur Änderung oder Beendigung eines bestehenden Mietverhältnisses erworben hat und der Erwerb des Grundstücks durch eine geplante, gewinnbringende Weiterveräußerung motiviert war. Beruhen die wirtschaftlichen Nachteile des Vermieters auf einer Fehlkalkulation beim Erwerb des Grundstücks, so kann diese nicht dem Mieter angelastet werden (LG Berlin, 28.07.2015, Az.: 63 S 217/14).
16. Darlegungslast im Räumungsprozess bei Verwertungskündigung
Der Vermieter muss im Räumungsprozess nach Verwertungskündigung zu dem behaupteten Nachteilen hinreichend substantiiert vortragen. Die Behauptung, dass die gewählte Verwertungsart von der finanzierenden Bank vorgegeben worden sei, ist rechtlich unbeachtlich.
Die unstreitige Sanierungsbedürftigkeit des Objekts begründet für sich genommen kein Kündigungsrecht, insbesondere nicht, wenn der Beklagte zur Duldung der Instandhaltung-/Sanierungsmaßnahmen bereit ist und angeboten hat, die Modernisierungsmaßnahmen zu dulden sowie im Anschluss daran einer Modernisierungsmieterhöhung grundsätzlich zuzustimmen.
Dass der Eigentümer nach einer Sanierung und Zusammenlegung der Räumlichkeiten eine besonders hohe Miete erzielen kann, ist rechtlich nicht maßgebend (AG Bremen 12.11.2015, Az.: 9 C 155/15).
17. Verwertungskündigung für Schwestergesellschaft?
Hier klagte eine KG als Eigentümerin und (durch Kauf übergegangene) Vermieterin auf Herausgabe einer Sieben-Zimmer-Wohnung in einem Wohn- und Geschäftshaus in St. Blasien. Die Klägerin war zudem Eigentümerin des mit Gewerberäumen bebauten Nachbargrundstücks, das die Klägerin an eine weitere Gesellschaft verpachtet hatte, die dort ein Modegeschäft betrieb. Bei beiden Gesellschaften wurden die jeweiligen Komplementärinnen von derselben Geschäftsführerin vertreten, die auch jeweils Alleingesellschafterin der Komplementärinnen war. Die Verwertungskündigung wurde damit begründet, dass das Wohn- und Geschäftshaus der Beklagten abgerissen werden sollte, um das Modehaus der „Schwestergesellschaft“ auf dem Nachbargrundstück zu erweitern. Kündigung und Räumungsklage hatten vor Amts- und Landgericht Erfolg.
Nicht aber vor dem BGH. Zwar sei die Absicht der Klägerin eine „angemessene wirtschaftliche Verwertung und von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen“ getragen, der Klägerin drohen hier aber bei Fortbestand des Mietverhältnisses keine „erheblichen Nachteile“. Die Instanzengerichte haben „grundlegend verkannt“, dass eine Verwertungskündigung immer beim Vermieter selbst eintretende Nachteile erfordert. Die Berücksichtigung der Interessen eines davon verschiedenen Dritten ist deshalb ausgeschlossen. Die wirtschaftliche Verflechtung ist bedeutungslos.
18. Nochmal: Erheblicher Nachteil
Ein erheblicher Nachteil im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB liegt unter Berücksichtigung des Bestandsinteresses des Mieters nicht vor, wenn der Vermieter zwar durch die von ihm geplanten Umbaumaßnahmen einen höheren Ertrag erwirtschaften könnte, bei Verzicht darauf jedoch gleichfalls noch einen angemessenen Betrag erwirtschaften kann und das Gebäude in seiner Substanz nicht bedroht ist (LG Heidelberg, 14.11.2017, Az.: 5 S 59/16 in WuM 2018, 38).
Hier kaufte die Klägerin im Jahr 2011 ein denkmalgeschütztes Fachwerkhaus in Heidelberg. Nach einer Reparatur des Daches wegen einer Undichtigkeit verfolgte die Klägerin den Plan, das Dach umfassend zu erneuern und gleichzeitig die bisherige Dachgeschosswohnung durch Zusammenlegung mit umliegenden Abstellräumen auszubauen. Es sollte eine Maisonette-Wohnung mit einer doppelt so großen Wohnfläche entstehen. Dazu wurde das bestehende Mietverhältnis gekündigt. Das Amtsgericht folgte dieser Argumentation und verurteilte die Mieter zur Räumung, das Landgericht hob das Urteil auf. Zwar sei das Vorhaben der Klägerin von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen getragen. Bei einer Hinderung dieser Verwertung würden der Klägerin als Vermieterin aber keine erheblichen Nachteile entstehen. Es geht nicht um eine „sinnvollere“ Verwertung oder Nutzung. Anderenfalls hätte das Tatbestandsmerkmal „erheblicher Nachteil“ neben dem Tatbestandsmerkmal „angemessene wirtschaftliche Verwertung“ keine eigenständige Bedeutung. Die Ideallösung der Klägerin, Reparatur und gleichzeitig Schaffung neuen Wohnraums, müsse deshalb in eine umfassende Interessenabwägung einzustellen sein. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Substanz des Hauses grundsätzlich in Ordnung und erhaltenswert ist. Das Dach sei nach der Reparatur dicht. Weiter habe die Klägerin das Haus in dem Zustand erworben, in dem sich das Haus heute befindet. Und die Klägerin erwirtschafte auch bei der jetzigen Vermietung nach wie vor einen Überschuss und einen Eigenkapitalzins von ca. 3 %. Fazit: „Wenn die Klägerin durch das bestehende Mietverhältnis an der Erzielung eines größeren wirtschaftlichen Vorteils gehindert ist, so wiegt dieser Nachteil aber nicht so schwer, dass er in Abwägung mit dem Bestandsinteresse der Mieter als erheblich anzusehen ist.“
19. Wie (einfach) ist das Studentenleben?
München: Der Mieter bewohnt seit 1983 ein Zimmer im 1961 errichteten Studentenwohnheim, zuletzt für pauschal monatlich 152,88 Euro. Das Studentenwohnheim wurde im Jahr 2015 verkauft, die Klägerin kündigte das Mietverhältnis ordentlich und wies auf eine Kernsanierung hin. Das fragliche Zimmer sollte mit einem angrenzenden Zimmer zusammengelegt werden. Das Studentenwohnheim verfügte auf sechs Stockwerken über 50 Einzelzimmer. Diese hatten weder sanitäre Einrichtungen, noch Kochmöglichkeiten. Es befanden sich Sammeltoiletten ohne Waschbecken auf jeder Etage sowie Sammelduschen im Keller, Warmwasserleitungen in den Etagen waren nicht gegeben. Der Einbau von Bad mit WC und Küche in den Einzelzimmern war unstreitig nicht möglich. Das Amtsgericht München (12.01.2018, 433 C 20391/17) ging hier von einer wirksamen Verwertungskündigung aus. Zum Zeitpunkt der Kündigung im Jahr 2016 gehört es danach zu den allgemein üblichen Wohnverhältnissen – auch in kleinen Wohnungen und Studentenwohnheimen – ein Bad und eine Kochmöglichkeit zur Verfügung zu haben. Zudem widerspreche es heutigen Hygieneansprüchen, sich mit mehreren Personen eine Toilette ohne Handwaschbecken zu teilen. Bei der geplanten Zusammenlegung des Zimmers mit dem Nachbarzimmers zur Schaffung eines Appartements kann aufgrund der Umgestaltung und Vergrößerung nicht mehr vom selben Mietobjekt gesprochen werden.
20. Ohne Zweckentfremdungsgenehmigung keine Verwertungskündigung
Die ernsthafte Absicht des Vermieters, das Mietobjekt anderweitig zu verwerten, wird mit der Vorlage einer Bauvoranfrage und der Abrissgenehmigung hinreichend nachgewiesen. Soll das Haus abgerissen werden und besteht in der Gemeinde ein Zweckentfremdungsverbot, so ist die Kündigung nur wirksam, wenn für den Abriss eine Zweckentfremdungsgenehmigung erteilt ist (AG Köln 27.02.2018 – 201 C 202/17 in IMR 2018, 371).
Umstritten ist nicht nur, ob eine Zweckentfremdungsgenehmigung vorliegen muss, sondern auch wann. Schon zum Zeitpunkt der Kündigung oder erst im Rechtsstreit? Immerhin sieht § 573 BGB keine Zweckentfremdungsgenehmigung als Voraussetzung der Kündigung vor. Auch die Bindungswirkung des Rechtsentscheids des OLG Hamburg vom 25.03.1981 ist entfallen.
21. „Musterfall“
Eine Verwertungskündigung ist zulässig, wenn der Erhalt des bestehenden Gebäudes unrentabel ist und dem Neubau keine Gründe des Baurechts oder Denkmalschutzes entgegenstehen.
Die genehmigte Erweiterung der Wohnnutzung eines Gebäudes von 268 m² auf über 1.800 m² spricht für die Wirtschaftlichkeit der neuen Nutzung.
Bei der Abwägung ist sowohl das Alter des Bestandsgebäudes (hier über 90 Jahre), wie auch der Umstand zu berücksichtigen, dass der Neubau sozialen Wohnraum schafft (LG Köln 21.03.2018 – 9 S 18/18 in ZMR 2018, 674).
Das Urteil schildert geradezu musterhaft die Voraussetzungen für eine Verwertungskündigung. Hier ging es um die Schaffung von 24 Wohnungen und die Herstellung von Wohnraum für Flüchtlinge und Asylbewerber. Es lag ein Mietvertrag mit der Stadt Köln vor. Die Klägerin errechnete sich einen Jahresüberschuss von ca. 48.000,00 Euro. Die Bewirtschaftung im Bestand erzielte überhaupt keinen Jahresüberschuss. Das Gericht wies noch darauf hin, dass es sich hier nicht um einen „rechtlich missbilligtes Vorhaben“ handeln würde, mit einer unangemessenen Verwertung wie beispielsweise bei dem Kauf eines Grundstücks durch einen gewerblichen Immobilienentwickler um intakte Bausubstanz zum Zwecke der besseren Renditeerzielung abzureißen. Der Umstand, dass die Klägerin das Grundstück in Kenntnis der Bebauung und Mietverhältnisse erwarb, spiele dem gegenüber keine Rolle. Ist die Verwertung angemessen, so muss die Person des Verwerters gleichgültig sein. Anders nur bei solchen Verwertungen, die unabhängig von der Person des Verwerters als unangemessen zu betrachten sind. Wäre auch der Veräußerer zur Kündigung berechtigt gewesen, so gibt es keinen Grund, dem Erwerber dieses Recht zu versagen.
22. Ist das Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig, so ist die Kündigung des Mietverhältnisses nicht zulässig.
Hier hat das Landgericht Berlin (08.05.2018 – 63 S 139/17) hervorgehoben, dass für die Kündigung des Mietverhältnisses zwar die Baugenehmigung noch nicht vorliegen muss. Eine Kündigung sei aber unwirksam, wenn die geplante Maßnahme baurechtlich nicht genehmigungsfähig ist. So lag der Fall hier. Eine Abrissgenehmigung wurde durch das zuständige Bezirksamt ausdrücklich abgelehnt. Der Umstand, dass hierüber ein Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht anhängig war, spielte dazu keine Rolle.
23. Unprofessionelle anwaltliche Kündigung
Der bloße Wunsch nach einer mieterfreien Veräußerung ist für eine Verwertungskündigung nie ausreichend. Bei einer Verwertungskündigung muss der Vermieter Verkaufsbemühungen und mögliche Nachteile beim Kaufpreis immer nachweisen (AG Hamburg-Blankenese 16.05.2018 – 531 C 87/17).
Das Gericht führt aus, dass das Mietverhältnis durch „die unprofessionell anwaltlich formulierte Kündigung“ nicht beendet worden sei. Weiter: „Bereits ein Blick in handelsübliche Formularbücher stellt entsprechende Musterformulierungen zur Verfügung.“ „Außerdem – was rechtlich allerdings unschädlich ist – ist auch noch die falsche gesetzliche Norm genannt, ebenso wie in den vorprozessualen Schriftsätzen und in der Klageschrift: Statt § 573 Abs. 3 BGB muss es § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB heißen.“ usw. Letztlich: „Dass die Klägerin nach eigenen Angaben Lebensmittel seit Februar 2016 über die Harburger Tafel beziehen will, ist für das Verfahren vollkommen irrelevant. Solange die Klägerin sich ein Pferd, zwei Autos, Nikotinkonsum etc. leistet, obliegt das ihrer freien Entfaltung der Persönlichkeit.“
24. Kein Geld – keine Kündigung
Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in München, hat ein Mietverhältnis über eine Wohnung in Berlin gekündigt. Die Klägerin sieht sich an der Fortsetzung des Wohnraum-Mietverhältnisses gehindert, da ihr die Mittel zur Finanzierung einer Baumaßnahme fehlen, zu deren Durchführung sie sich aus Gründen des Brandschutzes (2. Rettungsweg) verpflichtet sieht.
- Bei dieser Konstellation gibt es keine Grundlage für eine Verwertungskündigung. Ein 2. Rettungsweg wäre auch für jede andere (gewerbliche) Nutzung der Immobilie erforderlich. Dementsprechend ist eine Verwertungskündigung nicht auf eine wirtschaftliche Verwertung, sondern auf Leerstand gerichtet.
- Die Klägerin kann die Kündigung daher nur auf ihr allgemeines berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses stützen, § 573 Abs. 1 S. 1 BGB. In der Sache kommt es dann auf die „umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls“ an. In diesem Fall ist dann zu berücksichtigen, dass keine Pflichtverletzungen des Mieters vorliegen, sondern Pflichtverletzungen der Vermieterin (Klägerin). Selbst wenn die Klägerin aus wirtschaftlichen Gründen gehindert sein sollte, ihre Vertragspflicht zu erfüllen, so begründet dies kein dem Bestandsinteresse des Mieters vergleichbar gewichtiges Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses.
Auch eine Bezugnahme auf die (allenfalls dem Rechtsgedanken nach anwendbare) Opfergrenze des § 275 Abs. 2 BGB. An diese Norm sind hohe Anforderungen zu stellen.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass noch kein konkreter Bescheid des Bezirksamts vorliegt. Es wird lediglich eine drohende Nutzungsuntersagung behauptet. Dementsprechend kommt hier der Gedanke der unzulässigen Vorratskündigung zur Anwendung.
Die Klage wurde abgewiesen (LG Berlin, 07.11.2008, Az. 65 S 121/18).
25. Verwertungskündigung bei jahrelanger Vernachlässigung einer Immobilie
Wenn der Vermieter jahrzehntelang eine Immobilie kaum saniert und eine sehr niedrige Miete in Kauf nimmt, kann er nicht ohne Weiteres eine Verwertungskündigung aussprechen. Zumindest gilt dies, wenn der Vermieter nur wenig Aufwand für einen Verkauf betrieben hat (LG Osnabrück, 29.01.2020, Az. 1 S 117/19).
Das Landgericht argumentiert damit, dass der Vermieter die Mietsache nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten hat. Diese Pflicht habe die Klägerin verletzt. Dementsprechend sei die Verwertung nach den Gesamtumständen nicht angemessen.
Zudem begründete die Klägerin die Verwertungskündigung mit einem Kaufangebot. Der einzige Interessent habe den Auszug des Mieters zur Bedingung des Abschlusses des Kaufvertrags gemacht. (Die Klägerin hatte hier nur einen Aushang am „schwarzen Brett“ gemacht.) Die Klägerin habe nicht ausreichend nachgewiesen, dass sie im Falle des Fortbestandes des Mietverhältnisses erhebliche, in erster Linie wirtschaftliche, Nachteile hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich aus dem Grundgesetz kein Anspruch des Grundeigentümers auf die höchstmögliche Rendite (BVerfG NJW 1992, 361). Es müssen jeweils die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Hierbei spiele dann das Verwertungsinteresse des Eigentümers und das Bestandsinteresse des Mieters die entscheidende Rolle. Der Umstand, dass eine mietfreie Wohnung einen höheren Verkaufspreis erzielt als ein vermietetes Objekt, begründet für sich keine Kündigung.
26. Eigenbedarfskündigung und Soziale Erhaltungssatzung
Wer eine Eigenbedarfskündigung im Geltungsbereich eine Sozialen Erhaltungssatzung erklärt, kann nur wirksam kündigen, wenn eine Genehmigung nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 4 BauGB zumindest beantragt worden ist. Eine Baugenehmigung reicht nicht aus (AG Hamburg-Altona, 17.04.2020, Az. 318c C 5/19).
27. BGH zur Verwertungskündigung bei ersatzlosem Abriss eines Gebäudes
Der ersatzlose Abriss eines Gebäudes ist keine wirtschaftliche Verwertung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB (BGH 16.12.2020, Az. VIII ZR 70/19).
28. Verwertungskündigung Genossenschaft
Der klassische „Neubau-Fall“: Eine Genossenschaft möchte ein Bestandsgebäude aus dem Jahr 1959 abreißen und einen modernen Neubau mit mehr Wohnungen und Wohnfläche errichten. Der Mieter zieht dies in Frage und beruft sich u.a. auf die Regelung im Mietvertrag mit der Formulierung,
„Da die Wohnung dem Mitglied und seiner Familie ein dauerndes Heim bieten soll, wird die Genossenschaft das Nutzungsverhältnis trotz bestehender Mitgliedschaft nur auflösen, wenn das Mitglied sich eines so groben Verstoßes gegen die ihm aus diesem Vertrag obliegenden Pflichten gegenüber der Genossenschaft oder der Hausgemeinschaft schuldig gemacht hat, dass der Genossenschaft die Fortsetzung des Nutzungsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann.“
Das Gericht hält zunächst fest, dass die Voraussetzungen der Verwertungskündigung aus wirtschaftlichen Gründen erfüllt sind. Das von der Klägerin eingeholte Sachverständigengutachten kommt bei einer Sanierung zu einer Eigenkapitalrendite von – 0,66%, während der geplante Neubau zu einer positiven Eigenkapitalrendite von 8,43% führt. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine Sanierung des Bestandsgebäudes die „Lebensdauer“ des Gebäudes lediglich um 30-40 Jahre verlängert, dem gegenüber die Lebensdauer eines Neubaus (mindestens) 80 Jahre beträgt.
Die Kündigungsregelung im Mietvertrag steht der Beendigung des Mietverhältnisses auch nicht entgegen. Hier war insbesondere zu berücksichtigen, dass dem Mieter mehr als 80 Ersatzwohnungen angeboten wurden. Das Gericht hebt weiter hervor, dass auch der Mieter als Mitglied der Genossenschaft der Klägerin Pflichten zur Rücksichtnahme und Unterstützung des gemeinsamen genossenschaftlichen Ziels des Wohnungsbaus und der Versorgung mit Wohnraum hat. So sei der „einzelne Genosse aus dem Genossenschaftsverhältnis verpflichtet, bei der Ausübung seiner Rechte auf das gemeinsame genossenschaftliche Ziel Rücksicht zu nehmen“.
Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nach der Sozialklausel gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 BGB kommt nicht in Betracht, da der Mieter der Kündigung nicht nach Maßgabe der §§ 574, 574b BGB widersprochen hat.
(LG Itzehoe 24.08.2021, Az. 9 S 8/21)
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